Eine kleine Vorbemerkung:
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts sieht es in Aachen folgendermaßen aus:
Aachen ist vollkommen Rückständig. Kaum funktionierende Strassen. Schmutz, Unrat. Beleuchtung - Fehlanzeige usw.
Die bewohnte bzw. die bebaute Stadt Aachen endet im Osten am Adalbertstor.
Um 1800 beheimatet Aachen ungefähr 24.000 Einwohner.
Mit dem Einzug der Franzosen gibt es erhebliche Verbesserungen:
Das aus sehr vielen Klein- und Kleinststaaten bestehende Rheinland wurde nach dessen Einverleibung zu Frankreich zu einem einheitlichen großen Wirtschaftsraum.
Die Hygiene wird verbessert. So wird z.B. 1803 der Kirchhof direkt neben dem Dom (Münsterplatz), weit, weit vor die Stadt verlegt: Dem heutigen Ostfriedhof.
Das Ausleeren der Eimer in den Strassen wird verboten und Gräben gezogen. Bäche werden kanalisiert und somit Seuchen eingedämmt. Ein funktionierendes Straßennetz wird errichtet und ein Handelsgesetzbuch eingeführt. usw.
Eine bis dahin nie dagewesene wirtschaftliche Entwicklung setzt ein. Aachen wird Hauptstadt des Roer-Departement.
In Aachen leben 1816 rund 32.000 Menschen.
Eine Ausweitung der Stadt Aachen in Richtung Osten wird notwendig.
Zwischen Adalbertstor und dem heutigen Stadtteil Rothe Erde gibt es zu diesem Zeitpunkt bautechnisch sozusagen nichts. Nur der 1803 vor den Toren entstandene Friedhof besteht und einige Mühlen, wie die Aretz-, Dennewarts-, Pulvermühle, usw.
Ansonsten gibt es viel Wiesen, Felder und einige Gärten. Einmal im Jahr wird vor dem Adalbertstor Kirmes abgehalten.
Die Franzosen verlassen 1814 Aachen und es kommen die Preußen.
Anlässlich des fünften Jahrestages der Völkerschlacht bei Leipzig treffen sich die Herrscher von Preußen König Friedrich Wilhelm III. , Zar Alexander von Russland und Kaiser Franz I. von Österreich am 18. Oktober 1818 während des Aachener Kongresses. „Vor dem Adalbertstor“ findet ein Militärgottesdienst statt. Ein entsprechendes Kongreßdenkmal wird 1844 ungefähr am Parkhaus des heutigen Amtsgerichts errichtet eingeweiht.
1865 wird an gleicher Stelle das Amtsgericht mit Strafanstalt gebaut. Das Kongreßdenkmal wird demontiert und 1928 im Aachener Stadtpark wieder aufgestellt.
Ganz allmählich setzt eine industrielle Entwicklung ein.
Durch Verbesserungen der Produktivität in der Landwirtschaft werden dort weniger Arbeitskräfte benötigt.
Folge: Ein immer größerer Zuzug von Menschen vom Umland in die Städte, wie auch in Aachen, beginnt.
Gleichzeitig zeigt der neu entstehende Kapitalismus sein schlimmstes Gesicht. Arbeiter werden nach Lust und Laune Eingestellt und Entlassen. Löhne werden nach Gutsherrenart vergeben oder gekürzt. Die Kinderarbeit ist weit verbreitet. Üblich ist auch, einen Teil des Lohns in Alkohol zu zahlen. Dies führte dazu, dass die Zahl der Gaststätten explosionsmäßig steigt. Gleichzeitig verdirbt der Alkohol die Situation in vielen Arbeiterfamilien.
1830 kommt es zum ersten Arbeiteraufstand in Aachen. Er wird blutig niedergeschlagen.
Lasset uns die Hände reichen
Aachens Schutz und heil´ge Wacht!
Auch ein Wall von Feindes Leichen,
Ist´ wenn´s Noth thut bald gemacht.
Der Industrielle James Cockerill läßt 1830 eine Chaussee von Stolberg Münsterbusch über Eilendorf und Rothe Erde bis nach Aachen in die Stolberger Straße errichten. Diese ist für Nicht-Eilendorfer und -Stolberger Mautpflichtig. Zollhäuser stehen in der Von-Coels-Strasse in Eilendorf und Rothe Erde. Die Maulpflicht endete 1893. Die Straße trägt in Stolberg noch heute seinen Namen.
Aachen hat 1831 rund 39.000 Einwohner.
Talbot lässt sich zunächst vor den Adalbertstor 1838 mit einer Fabrikation nieder. Am unteren Adalbertsteinweg entstehen eine Feuerwehrkaserne und eine Schwimmanstalt.
1841 wird kurz hinter dem Reichsweg die eingleisige Eisenbahnstrecke Köln - Aachen eröffnet. In Düren gibt es die einzige Ausweichmöglichkeit von zwei Zügen. 1843 wird die Strecke nach Belgien verlängert.
Wenige Jahre später, 1845 wird das Hüttenwerk Rothe Erde (in Forst) gegründet und gebaut. Ab 1846 beginnt die Produktion von Eisenbahnschienen.
Auf der Elsassstraße entstehen die Häuser der Direktoren und leitenden Angestellten der Stahlwerke (ungefähr an der Kennedyschule).
Die seit 1843 bestehende Eisenbahnstrecke Köln - Aachen wird ab 1875 auch zur Beförderung von Personen genutzt. Es entsteht der Bahnhof Rothe Erde.
1840 hat Aachen rund 44.000 Einwohner.
Die Aachener-Burtscheider-Pferdekleinbahn wird gegründet. Ab 1880 betreibt sie in der Scheibenstraße ihr erstes Depot und Verwaltung. Später wird daraus die ASEAG (Aachener Straßenbahn- und Elektrizitäts AG) gegründet. Ihr Hauptgebäude steht lange auf dem Adalbertsteinweg. Später wird die Zentrale in die Neukölner Straße verlegt.
In den Nebenstraßen des Adalbertsteinwegs werden kleine Manufakturen, Fabriken und Werkstätten errichtet.
In Aachen wohnen 1880 85.500 Menschen.
Die Besiedlung des Ostviertels beginnt ab etwa 1890 hauptsächlich von der Elsassstraße aus.
1882 entsteht eine gewaltige Kaserne, die Gelbe Kaserne. Den Namen erhält sie, weil sie mit gelben Klinkersteinen verkleidet wird. Die alten Kasernen in der Aachener Innenstadt müssen wegen Platzmangel weichen.
Gegenüber dem neuen Bahnhof Rothe Erde entsteht die Rote Kaserne. Hier wird ein roter Klinkerstein verbaut.
Beide Kasernen gibt es nicht mehr. Nach zahlreichen Umbauten sind sowohl die Reste der roten als auch der gelben Klinkersteine an der Fassade des Bahnhofs Rothe Erde verbaut.
Übrigens wird 1885 ein Karnevalsverein gegründet: KG Löstige Elsässer (Die lustigen Elsässer).
Die Eisenbahnverbindung Rothe Erde nach Aachen Nord wird 1875 eröffnet. Die Vennbahn 1885.
Die Stadtgrenze Aachens endet übrigens direkt hinter der Gelben Kaserne, dort ist Forst. Über dem Bahnkörper gibt es im "beschaulichen" Forst schon mehr Leben.
Ein Teil des Gebietes Ostviertel wird mit Strassennamen beglückt, die an preußische Schlachten erinnern: Elsaß-, Weissenburger-, Alsen-, Sedan- und Düppelstraße. Die Pariser Straße, die vom Elsassplatz bis zur Josefskirche verläuft, gibt es seit langer Zeit nicht mehr.
1894 wird die Josefskirche eingeweiht. Zugleich wird die Schule Düppelstrasse gegründet.
In der Stadt Aachen wohnen 1888 nun 100.000 Menschen.
Die Einwohner im Ostviertel haben in dieser Zeit hauptsächlich mit der Kaserne zu tun. Es sind Handwerker, Werkstätten und Lieferanten.
Die Offiziere, in der Regel Adelige, benötigten selbstverständlich einen gewissen Luxus. Dazu gehörte die gewaltig große Wohnungen und allerlei Pagen, Diener und Helfer(-innen). Zerstreuung finden sie in den zahlreichen umliegenden Gastwirtschaften.
Die Unteroffiziere wechseln häufig ihren Stationierungsort.
Auch sie benötigen allerlei Helfer(-innen) und Putzfrauen. Sie wohnen z.B. im Bienenhaus in der Alsenstraße.
Dem neuen Stadtteil geht es nicht schlecht. Es werden ständig große aufwendige Bürgerhäuser gebaut, die auch z.T. heute noch erhalten sind.
Ganz anders sieht die Wohnsituation der vielen Arbeiter der neu entstehenden Industrie aus. Sie leben zunächst in "neuen" Häuser, um sie trocken zu wohnen. Ergebnis: Zahlreiche Lungenkrankheiten. Außerdem wohnen die kinderreichen Arbeiterfamilien nicht in Großwohnungen sondern in Ein- oder Zweiraumwohnungen. Häufig nehmen sie noch zusätzlich alleinstehende Arbeiter (Kostgänger) auf, um so besser "über die Runden" zu kommen.
Viele Häuser werden gebaut. Das Material kommt aus Eilendorf und dem Ostviertel. Diejenigen die dort arbeiteten sind "zugezogene" und haben nicht nur den Spitznamen Sejelbäcker (Ziegelbäcker) sondern auch keinen guten Ruf.
Das Stahlbauunternehmen Strang wird 1890 gegründet (Philipsstraße).
Talbot beginnt 1893 mit der Produktion von Eisenbahnwagons auf der Jülicher Straße.
Nach der Vereinigung der Städte Aachen und Burtscheid entsteht ab 1897 direkt neben dem Ostviertel der neue Stadtteil Frankenberg. Er wird sofort für ein gut situiertes Bürgertum angelegt und vermarktet. Die Frankenberger Bürgerhäuser können nach Berliner Vorbildern, per Prospekt, ausgesucht und bestellt werden.
1902 beträgt die Einwohnerzahl Aachens bereits 140.000.
1907 wird die Gemeinde Forst der Stadt Aachen eingemeindet.
Die großen Industriebetriebe (Stahlwerke) gehören nun, wenn auch nur für kurze Zeit, zur Stadt Aachen.
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